Japan zwischen Moderne, Tradition und Gesichtsverlust

Anime, Manga, Computerspiel, Roboter, Geishas, Teezeremonie, Samurai – Japan ist viel. Fast nirgends trifft man auf so viel offenbar Gegensätzliches. Der europäische Raum kann die Kultur Japans nicht ganz nachvollziehen. Was macht sie so anders und sollten wir nicht ein bisschen japanischer sein?

Obwohl wir schon seit Jahrzehnten viel von Japan sehen, hören und lesen ist uns dieses Land fremd in vielerlei Hinsicht.

Prachtvolle andersartige Bauten, Kimonos, Essen mit Stäbchen und sehr künstlerisch angerichtetes Essen sind ein paar der Dinge, die Europäer faszinieren. Alle Arten von Technologien, die sehr futuristisch sind wie Roboter, beeindrucken uns. Eine ganz andere Höflichkeit erstaunt uns.

Itsukushima_torii_angle
Itsukushima_torii_angle

 

Höflich und zurückhaltend ist der Japaner. Formelle Umgangsformen zeichnen ihn aus. Wütend gestikulieren, wenn die Bahn Verspätung hat? Drängelnd einsteigen, bevor die Leute ausgestiegen sind? Fehlanzeige! Solche Verhaltensweisen sind den Japanern fremd. Ältere, höher gestellte Personen werden achtungsvoll behandelt. Widerspruch gibt es nicht. Dieses Verhalten rührt aus dem engen Inselleben her. Man muss mit seinem Nachbarn auskommen, man hat jeden Tag Kontakt mit vielen Menschen. Da hilft gegenseitige Höflichkeit, um miteinander auszukommen. Gemeinsam ein Ziel verfolgen und es erfolgreich abschließen, führten zu dem achtungsvollen Handeln und dem hierarchischen Denken. Nur harte Arbeit und Folgsamkeit führen zu Erfolg.

 

Leute in Tokio – CC0
Leute in Tokio – CC0

 

Arbeiten bis zum Tod

 

Damit kommen wir zu den Schattenseiten. Arbeiten bis zum Umfallen – in Japan gibt es dafür ein Wort: Karoshi. 20-Stunden-Tage sind keine Seltenheit und werden als normal betrachtet. Krankheiten und Todesfälle durch Erschöpfung oder Selbstmord werden vertuscht. Aber ganz leise sickern Stimmen durch die aufgesetzte Maske, die ein Gesichtsverlust vermeiden soll.

 

Madzun Takahaschi wurde nur 24 Jahre alt und ihre Hinterbliebenen machen es publik. Für eine große Werbefirma fing Madzun an zu arbeiten. Ein Traumjob – dachte sie. Erniedrigungen und 105 Überstunden in einem Monat machten es zu einem Albtraum.

 

Wenn ein Angestellter im ersten Jahr nur 10 Stunden pro Woche schlafen kann, wird das von den Firmen als Training verstanden, als Teil der Ausbildung. Eine Beförderung ist oftmals noch nicht mal mit einer Gehaltserhöhung verbunden, dafür mit umso mehr Arbeit.

 

Für europäische Verhältnisse ist dies undenkbar. Wir rennen in die Schule, wenn wir der Meinung sind, unsere Kinder haben zu viel Hausaufgaben bekommen. Streiken (auch wenn es erfolglos ist) für mehr Lohn und sagen was uns nicht passt.

Japan ist in vielen Dingen erfolgreicher, der äußere Schein perfekt und eintrainiert. Das geht aber auf Kosten der Menschen, was auch noch schweigsam hingenommen wird, ja sogar mit einem Lächeln.

Gewiss, einige Sachen sollten wir uns von Japan abgucken, das Miteinander kann an vielen Stellen verbessert werden. Das meditierende Sinnen sollte zum allgemeinen Wohlsein eingebaut werden. Das eigenständige Denken und unser direktes Ansprechen von Missständen sollten aber nicht verloren gehen, sondern ausgebaut werden. Vielleicht mit mehr Anstand und Höflichkeit.

Sowohl Japan als auch Europa können wohl einiges voneinander lernen, abschauen und sich gegenseitig begeistern.